Stellungnahme des VBE NRW zu den Lehrplänen Primarstufe

15.01.2021

Durchführung der Verbändebeteiligung gem. § 77 Abs. 2 Ziffer 2 SchulG

Der VBE nimmt zu den Entwürfen der Lehrpläne für die Primarstufe wie folgt Stellung.

1. Stellungnahme zum gesamten Vorhaben

Die Aktualisierung der Lehrpläne für die Schulen der Primarstufe wurde von der Landesregierung im Koalitionsvertrag grundgelegt und anschließend im Masterplan Grundschule unter dem Handlungsfeld 1 „Unterricht – Auf das Wesentliche konzentrieren, fachliches Lernen stärken“ aufgenommen.

Im Punkt 1.1 des Masterplans Grundschule wird ausgeführt, wie die Unterrichtsqualität in den Grundschulen verbessert werden soll.

Hier kann man u.a. lesen, dass Kinder mit unterschiedlichsten Neigungen, Kompetenzen und Fähigkeiten in die Grundschule kommen, dass individuelle Förderung zum langjährigen Selbstverständnis der Arbeit in den Grundschulen gehört und dass die Landesregierung nun drei verschiedene Maßnahmen ergreift, um die Unterrichtsqualität zu steigern. Dazu gehören

  • die Aktualisierung der Lehrpläne,
  • die sachgerechte Weiterentwicklung der Stundentafel,
  • die Unterstützung der Lehrkräfte durch Landesprojekte, Orientierungshilfen und Handreichungen.

Diese drei Maßnahmen sieht die Landesregierung als entscheidend an „neben“ der Verbesserung der personellen Rahmenbedingungen.

Der VBE hat in allen Gesprächen zum Masterplan Grundschule deutlich darauf hingewiesen, dass die Verbesserung der personellen Rahmenbedingungen und hier insbesondere die Ausstattung der Grundschulen mit originär ausgebildeten Lehrkräften aktuell die grundlegende entscheidende Aufgabe der Politik ist, um die Qualität in den Grundschulen wieder zu stärken.

Besonders die momentane schwierige Zeit der Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass Lernen nicht ohne Schwierigkeiten in Präsenz- und Distanzlernen eingeteilt werden kann. Schülerinnen und Schüler, die in Gruppen in Präsenz mit ihrer Lehrkraft lernen können, weisen insgesamt eine höhere Lernmotivation und bessere Lernergebnisse auf, da sie von Pädagogik und Fachlichkeit direkt profitieren. Dies betrifft in besonderem Maße auch Kinder im Grundschulalter.

Der VBE erwartet von der Landesregierung, dass sie alle ihre Kräfte dahingehend einsetzt, ein umfassendes Leitbild für die Schulen der Primarstufe zu entwickeln, das die Schulen zukunftsfähig macht und damit den Kindern von heute ermöglicht, unsere demokratische Gesellschaft von morgen zu gestalten und zu tragen. Dafür ist es notwendig, ein gemeinsames Bild zu formulieren, dass die Grundschule als eine eigenständige Schulform darstellt, die eine entscheidende Basis für die Lern- und Leistungsentwicklung aller Schülerinnen und Schüler ist und Kriterien zu formulieren, die Chancen- und Bildungsgerechtigkeit zukunftsweisend gewährleisten.

Die Grundschulen in NRW arbeiten unter schwierigen Bedingungen. Ausgebildete Lehrkräfte fehlen in Vielzahl, sonderpädagogische Expertise fehlt an vielen Schulen, Lerngruppen sind zu groß, viele Schulgebäude schlicht nicht mehr zeitgemäß. Ohne einen stabilen und gut aufgestellten Förderverein, sind die meisten Grundschulen nicht in der Lage, notwendige zeitgemäße Arbeitsmaterialien anzuschaffen.

Seit Jahren weist der VBE auf diese katastrophale Situation hin. Die Klassen werden immer heterogener, die Aufgaben immer mehr, die Grundschullehrkräfte und Schulleitungen weniger, sogar qualifiziertes Personal für die offenen Ganztage fehlt.

Mehr Mangel, als den in den Grundschulen in NRW, ist zurzeit kaum zu finden.

In diese Situation hinein, gibt die Landesregierung den Auftrag an QUA-LiS die Lehrpläne „weiterzuentwickeln“ und erwartet von den Grundschulen die Erarbeitung der neuen schulinternen Arbeitspläne innerhalb von zwei Jahren.

Der VBE stellt hierzu fest: Die Landesregierung zeigt durch dieses Vorgehen, dass sie nicht verstanden hat, dass die Arbeit in den Grundschulen alle in ihnen Tätigen täglich an ihre absolute Belastungsgrenze bringt. Möglichst optimale Lern- und Leistungsentwicklungen der Schülerinnen und Schüler bedürfen an erster Stelle effektive Entlastungen im System, die aktuell nur dadurch zu erreichen sind, indem die Grundschullehrkräfte sich auf ihre wesentliche Aufgabe des Unterrichtens konzentrieren können und zusätzliche, nicht dringend notwendige Arbeitsaufträge aus den Grundschulen herausgehalten werden.

Gute Bedingungen ermöglichen gute Ergebnisse, denn gute Bedingungen ermöglichen Freude am Arbeiten und Lernen für alle Beteiligten.

In der Informationsveranstaltung von QUA-LiS zu den Lehrplänen für die Primarstufe wurde erläutert, dass die Erarbeitung der schulinternen Arbeitspläne auf die Fachkonferenzen aufgeteilt wird und daher auch leistbar sei. Eine Grundschule in NRW hat im Durchschnitt 229 Schülerinnen und Schüler und im Idealfall eine entsprechende Anzahl von Lehrpersonen. Daraus folgt, dass die Fachkonferenzen in den Grundschulen zum größten Teil aus denselben Lehrpersonen bestehen. Eine Aufteilung der Aufgaben der Erarbeitung und Verschriftlichung der schulinternen Arbeitspläne ist demzufolge nicht möglich. Hinzu kommt, dass an vielen Grundschulen mehrere Stellen bereits durch Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger und Nichterfüllerinnen und Nichterfüller besetzt sind. Dieser Personenkreis verfügt nur in begrenztem Maße über die notwendigen fachlichen, pädagogischen, didaktischen und methodischen Kenntnisse, um an der Erarbeitung der schulinternen Arbeitspläne der zehn Fächer mitzuwirken. Demzufolge wird die Belastung der ausgebildeten Lehrkräfte in diesen Schulen wiederum potenziert.

QUA-LiS nimmt für sich in Anspruch, die Lehrpläne weiterentwickelt zu haben. Aus der Perspektive der Schulen der Primarstufe ergibt sich ein anderes Bild. Die vorhandenen schulinternen Arbeitspläne können nicht, wie zumindest erhofft, weiterentwickelt werden. Von den Kollegien wird gefordert, komplett neue schulinterne Arbeitspläne zu jedem einzelnen Fach zu schreiben, deren Grundlage eine vorgegebene Gliederung darstellt. Diese Gliederung wurde von den Schulformen der Sekundarstufe I übernommen.

Dieser Arbeitsauftrag an die Grundschulkollegien erschließt sich dem VBE nicht. Schulinterne Arbeitspläne erhalten keine qualitativ hochwertigeren Aussagen, wenn sie in eine Struktur der Sekundarstufe I gefasst werden. Die Grundschule ist eine eigenständige Schulform, die ihre Aufgabe innerhalb des gesamten Bildungssystems teilnimmt.

Wegen der aufgeführten Gründe fordert der VBE die Landesregierung auf, ihr Vorgehen im Hinblick auf die Grundschulen in NRW grundlegend zu überdenken und nur in den schulischen Bereichen Änderungen in der aktuellen schwierigen Zeit zu implementieren, die absolut notwendig sind.

Hierzu gehören die Lehrpläne für die Primarstufe in der vorgelegten Form, die umfangreiche zeitliche Ressourcen in den Kollegien der Primarstufe binden werden, aus Sicht des VBE nicht.

Damit sagt der VBE nicht, dass es Querschnittsaufgaben gibt, die Teil der schulischen Bildung in den Schulen der Primarstufe sind und sein müssen, wie z.B. „Digitales Lernen“, „Demokratieerziehung“ und „Verbraucherbildung“. Abgesehen von grundlegenden Aussagen zur Demokratieerziehung liegen den Schulen die entsprechenden Vorgaben vor und sind bereits Teile der schulischen Konzepte und der schulinternen Arbeitspläne. Das bezieht sich auf folgende Vorgaben:

  • Handreichung zur Rechtschreibung
  • Handreichung zum Lernen in Präsenz und auf Distanz
  • Medienkompetenzrahmen
  • Rahmenvorgabe zur Verbraucherbildung.

Es ist aus Sicht des VBE zurzeit zielführender, die Kollegien der Schulen der Primarstufe darin zu stärken, auf ihren eingeschlagenen Wegen der schulinternen Konzeptionierung der Querschnittsaufgaben weiterzugehen und sie hierbei durch zielgenaue Angebote zu unterstützen.

Auch muss der VBE darauf hinweisen, dass es für viele Schulen nicht allein um die Neuerarbeitung der schulinternen Arbeitspläne geht. Da sie mit kompetenzorientierten Zeugnissen arbeiten, müssen sowohl sämtliche Zeugnisformulare und die mit ihnen verbundenen Feedbackbögen für Eltern und Kinder neu erarbeitet werden.

Das macht noch einmal deutlich, dass eine Erarbeitung der schulinternen Arbeitspläne für zehn Fächer innerhalb von zwei Jahren, auch unter Berücksichtigung von zwei dafür vorgesehenen Pädagogischen Tagen absolut unrealistisch ist.

Zusätzlich machen die vorgelegten Lehrplanentwürfe deutlich, dass der hohe fachliche Anspruch, die Lernziele und die Qualität der zu erreichenden Kompetenzerwartungen gleichbleiben. Das ist unter den momentan herrschenden Bedingungen in den meisten Grundschulen in NRW aber nicht leistbar. Der VBE steht nicht für Streichungen von Lernzielen in den Grundschulen, fordert die Landesregierung aber noch einmal auf, die Grundschulen zukunftsfest zu machen. Eine zeitgemäße Bildung kann nur verwirklicht werden, wenn die fehlenden, jedoch absolut notwendigen personellen, sächlichen, räumlichen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen.

 

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2. Stellungnahme zu den Entwürfen der Lehrpläne für die Primarstufe

 

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